Impfempfehlung für Säuglinge gegen Meningokokken B

Die STIKO hat im Januar 2024, kurz vor ihrer umfangreichen Neubesetzung – manche sprechen auch von „Zerschlagung“ – , ihre Impfempfehlungen für Säuglinge und Kleinkinder erweitert: Um die dreimalige Impfung gegen Meningokokken B. Um was geht es da?

Meningokokken sind Bakterien, die bei 10 bis 15 Prozent der gesunden Menschen im Rachenabstrich nachgewiesen werden können. In aller Regel sind sie harmlose Rachenbewohner. Sie sind jedoch – ebenso wie Hib-Bakterien oder teilweise Pneumokokken – vor dem Abwehrsystem mit einer aus Zuckermolekülen bestehenden Kapsel getarnt. Sie  dringen daher in seltenen Fällen in die Blutbahn ein und können zu schweren Erkrankungen wie Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Blutvergiftung (Sepsis) führen.

Symptome sind plötzliches hohes Fieber, starkes Krankheitsgefühl, rasch schlechter werdender Allgemeinzustand, Kopfschmerzen und Nackensteife. Im typischen Fall kommt es zu Hautblutungen in Form roter Flecken, die durch Druck – etwa mit einem Glas – nicht verschwinden. Zeichen des Hirnhautbefalls bei Säuglingen ist die prall gespannte und vorgewölbte Fontanelle, bei älteren Kindern die Nackensteife: Der Kuss auf das angewinkelte Knie ist unmöglich. Bei ungünstigem Verlauf kommt es schnell zu einem lebensbedrohlichen Krankheitsbild mit Bewusstlosigkeit und Kreislaufschock (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom).

Meningokokkenerkrankungen verlaufen in fünf bis zehn Prozent der Fälle tödlich. Trotz intensivmedizinischer Behandlung können Hirn-, Hör- und Sehschäden sowie Beeinträchtigungen anderer Organe zurückbleiben. Besonders schlecht ist die Prognose bei septischen Verläufen. Bei rechtzeitiger Behandlung kommt es jedoch in der Mehrzahl der Fälle zur völligen Ausheilung.

In Deutschland wurden bis 2020 jährlich mehr als 250 schwere Erkrankungen durch Meningokokken registriert – eine Häufigkeit von 1 : 300 000 Einwohnern. Hauptrisikogruppen für Erkrankungen durch Meningokokken sind Kinder zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat. Das Risiko liegt bei ihnen bei ein bis drei von 100 000.

Eine Infektion wird begünstigt durch die Belastung des Organismus mit Antibiotika oder Passivrauch und in besonders starkem Ausmaß durch das Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft, wodurch das Risiko verdreifacht wird (Lee 2010, Murray 2012, Lundbo 2017, Dubey 2022). Routinemäßige medikamentöse Fiebersenkung begünstigt schwere Krankheitsverläufe (Walter 2016).

Muttermilchernährung reduziert das Risiko einer Meningokokken-Infektion beträchtlich (McCall 2004). Viele Säuglinge haben durch mütterliche Antikörper und durch die Besiedlung mit Verwandten der Meningokokken, den Milchbakterien Neisseria lactamica, eine gewisse Immunität (Bennett 2005). Der Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung – Kita, Kindergarten oder Schule – ist kein relevanter Risikofaktor für eine Meningokokken-Infektion (McCall 2004).

Seit Januar 2024 empfiehlt die STIKO für alle Säuglinge ab dem 3. Lebensmonat die Impfung gegen Meningokokken B (STIKO 2024). Diese Meningokokken-Gruppe ist in Deutschland für 50 bis 60 Prozent der Meningokokken-Erkrankungen verantwortlich. Die Impfung soll möglichst zeitgleich mit den übrigen Säuglingsimpfstoffen verabreicht werden. Der dafür zugelassene Impfstoff  Bexsero soll in einem 2+1-Schema verabreicht werden: Impfabstand zur zweiten Impfung zwei Monate, zur dritten Impfung acht Monate. Bei Impfbeginn  ab dem Alter von zwei Jahren besteht die Impfserie aus 2 Impfstoffdosen im Mindestabstand von 1 Monat.

Die STIKO begründet die neue Empfehlung mit einer Modellierung, gesponsert vom Impfstoffhersteller GSK, die nicht die kurze Impfwirksamkeit berücksichtigt. Demnach könnten durch das neue Impfprogramm bis zu 15 Prozent aller Meningokokken-Erkrankungen verhindert werden, entsprechend 34 MenB-Fällen und 3 Todesfällen (Scholz 2022). Nach Berechnung des Arznei-telegramms dürfte  die Durchimpfung eines Säuglingsjahrgangs die Krankheitslast um lediglich 16 Fälle pro Jahr reduzieren, bei Kosten von 140 Millionen Euro (AT 2017), und Hunderten von Notfallbehandlungen wegen Impf Nebenwirkungen.

Die STIKO begründet die Empfehlung auch damit, dass „zwischenzeitlich“ zu bisher offenen Punkten weitere wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlicht wurden. Zu wesentlichen Punkten gibt es allerdings keine neuen Erkenntnisse:

  • Die verfügbaren Studien zur Impfwirksamkeit zeichneten sich durch „geringes“ bis „moderates Vertrauen in die Evidenz“ aus (STIKO 2024).
  • Es fehlen weiterhin Daten zur Dauer der Impfwirkung. Vermutlich liegt die Dauer der Schutzwirkung bei nur zwei bis vier Jahren (Sohn 2021).
  • Es hat sich bestätigt, dass die Impfung nur gegen einen Teil der Meningokokken B-Stämme (ca. 70%) wirksam ist (STIKO 2024).
  • Es hat sich bestätigt, dass die Impfung die Infektion und Weitergabe der Meningokokken nicht verhindert (STIKO 2024).
  • Es fehlen immer noch Daten zum Nachrücken anderer Meningokokkengruppen (RKI: „Eine Verschiebung der Serogruppen kann nicht ausgeschlossen werden“; STIKO 2024). In Frankreich nahmen resistente Untergruppen zwischen 2014 und 2018 um 10 Prozent zu (Hong 2021).
  • Es fehlen immer noch Daten zur Langzeit-Sicherheit der Impfung, und es fehlen Studien zu Impfnebenwirkungen im Vergleich mit Placebo-Gruppen.
  • Es gibt seit mindestens 20 Jahren auch ohne Impfung einen kontinuierlichen Rückgang von Meningokokkeninfektionen.

Der einzige bislang für Säuglinge und Kleinkinder zugelassene Meningokokken-B-impfstoff Bexsero enthält Oberflächenproteine der Meningokokken B, die mit Hilfe rekombinanter DNA-Technologie hergestellt werden. Alle rekombinant synthetisierten Impfstoffe (z.B. auch gegen COVID-19, HPV, Hepatitis B, Herpes Zoster) und monoklonalen Antikörper-Präparate wie Nirsevimab gegen RSV sind potentiell mit DNA-Plasmiden aus dem Herstellungsprozess verunreinigt (Syed 2024).

Bexsero ist schlecht verträglich und war in Deutschland 2022/23 der Kinderimpfstoff, der am häufigsten zur Verdachtsmeldungen von Impfreaktionen führte (Ärzteblatt 2024). Bei einer Impfkampagne in Süditalien wurden bei 6 von 1000 geimpften Kindern schwere Nebenwirkungen registriert (Stefanizzi 2023).

Der Impfstoff kann heftige und schmerzhafte Lokalreaktionen hervorrufen und verschlechtert häufig den Allgemeinzustand (Tenenbaum 2016, AT 2017). Jeder zweite Säugling und jedes fünfte Kleinkind fällt nach der Impfung durch erhöhte Reizbarkeit auf. Bei etwa fünf Prozent kommt es zu Fieber, selten auch zu einem Fieberkrampf. Da es keine Laborwere gibt, mit denen eine fieberhafte Impfreaktion zuverlässig von einer Sepsis unterschieden werden kann, werden geimpfte Säuglinge oft stationär aufgenommen, durchdiagnostiziert bis hin zur Lumbalpunktion und/oder sicherheitshalber antibiotisch behandelt (Channon-Wells 2021, AT 2017, Murdoch 2017). Die STIKO empfiehlt am Tag der Impfung die mindestens dreimalige Gabe von Paracetamol.

Weitere häufige Impfreaktionen sind Schläfrigkeit oder Schlafstörungen, Appetitverlust, Erbrechen und Diarrhö. Seltenere Meldungen betreffen Krampfanfälle, Kollaps und allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock.

Eine Impfdosis Bexsero enthält 0,5 mg Aluminium, was die Belastung geimpfter Kinder mit diesem potentiell toxischen Inhaltsstoff um 1,5 mg und damit deutlich erhöht. Aluminium-Hilfsstoffe vergrößern das Risiko für allergische Krankheiten (Daley 2022) und sind möglicherweise ein Faktor bei der Zunahme der Säuglingssterblichkeit durch Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern (Higgins 2016, Mogensen 2017). Aluminium-Hilfsstoffe können bei entsprechender genetischer Belastung auch Autoimmunerkrankungen zum Ausbruch bringen (Guimarães 2015, Tervaert 2023).

Die Impfung mit Bexsero kann zur Bildung von Antikörpern gegen ein menschliches Blutprotein, den Komplementfaktor H (FH) führen. Die Autoren einer diesbezüglichen Studie schreiben: „Zwar wurden bei den Probanden mit erhöhten Anti-FH-Titern keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse gemeldet, doch da der Ausbruch einer Autoimmunerkrankung ein seltenes Ereignis ist und Monate oder Jahre nach der Impfung auftreten kann, sind weitere, größere Studien gerechtfertigt.“ (Sharkey 2019). Türkische Ärzte beschreiben den Ausbruch einer Autoimmunerkrankung bei einem 7-jährigen Mädchen drei Tage nach der Meningokokken-B-Impfung (Atay 2022). Bei der Überwachung des Meningokokken-B-Impfprogramms in Kanada ergab sich ein Sicherheitssignal bezüglich des nephrotischen Symptoms, einer schweren Nierenerkrankung (De Serres 2019).

Bei der Impfentscheidung müssen sich Eltern die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, Ihr Kind vor einem äußerst geringen Krankheitsrisiko mit einer Maßnahme schützen zu wollen, die selbst nicht frei von Risiken sind und eine geringe Wirkung und kurze Wirkdauer hat. Effektive Maßnahmen zum Schutz vor Meningitiserkrankungen in der frühen Kindheit sind Stillen im ersten Lebensjahr und Schutz vor Passivrauch.

Referenzen:

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