In meinem Heimatdorf Herrsching am Ammersee treffen sich wie an inzwischen über 2000 anderen Orten jeden Montag Spaziergänger zum friedlichen Protest gegen Coronamaßnahmen und Impfpflicht. Dem Starnberger Landrat Stefan Frey, Befürworter einer Impfpflicht und Unterstützer von Impfaktionen für Kinder, sind die nicht angemeldeten Spaziergänge in seinem Landkreis ein Dorn im Auge. Am 14. Januar ging er mit einer Allgemeinverfügung dagegen vor.
Zum ersten (und hoffentlich letzten) Mal im meinem Leben verklagte ich daraufhin den Freistaat Bayern und bekam Recht: Das Verwaltungsgericht München äußerte in einer Eilentscheidung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Spaziergangsverbots. Die Spaziergänger durften weiter spazierengehen (h-online 22.1.2022). Die Entscheidung des VGH in der Hauptsache steht noch aus.
Am 17. Januar 2021 bat mich der Herausgeber der digitalen Lokalzeitung herrsching-online um ein Interview, das er jedoch schon nach wenigen Tagen wieder vom Netz nahm (https://herrsching.online/2022/01/19/spazieren-gehen-bis-die-impfpflicht-beerdigt-ist: Aufgerufene Seite unbekannt). Ich veröffentliche es nun hier, damit das langlebigere Gegeninterview mit einem Mitglied der GRÜNEN (!) nicht im luftleeren Raum hängen bleibt:
Spazieren gehen, bis die Impfpflicht beerdigt ist
Was hat Sie motiviert, einen Alleingang beim Verwaltungsgericht zu wagen – die Aussichten, eine für Sie positive Entscheidung zu bekommen, waren ja nicht besonders gut.
Hirte: Die sogenannten Coronaspaziergänge sind eine bundesweite Protestbewegung, die aus der Erfahrung entstanden ist, dass angemeldete größere Demonstrationen verboten oder mit schikanösen Auflagen behindert werden, und dass mit massiven Polizeiaufgeboten und Diffamierungen versucht wird, davon abzuschrecken. Die wachsende Zahl an Spaziergängen in über tausend Orten der Bundesrepublik zeigt, dass die Einschränkungen der Coronamaßnahmen und die vielen Schäden, die dadurch verursacht werden, von vielen Menschen nicht länger toleriert werden.
Die Allgemeinverfügung, mit der nun friedliche Spaziergänger mit horrenden Strafen bedroht wurden, war für mich eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung um Coronamaßnahmen und Impfpflicht. Anstatt mit den Bürgern in Dialog zu treten, wird versucht, auszugrenzen und zu spalten. Die Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, dass nicht angemeldete Spaziergänge nicht automatisch illegal sind, sondern auch unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen, hat mich dazu motiviert, zu klagen. Ich wundere mich, dass die Politiker das Vertrauen der Menschen immer weiter aufs Spiel setzen. Sie sind ja von uns gewählt, und nicht umgekehrt.
Durch Ihren vorläufigen Sieg könnten Sie zum Hero der Corona-Skeptiker-Szene werden. Ist Ihnen diese Popularität egal – oder schmeichelt einem das?
Hirte: Die unglaubliche Eskalation, der wir seit zwei Jahren ausgesetzt sind, und die jetzt bis zur gesellschaftlichen Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung geht, ist für unsere Demokratie, unsere Grundrechte und den gesellschaftlichen Frieden brandgefährlich. Vielen Menschen erscheint die Teilnahme an öffentlichen Protestaktionen der einzig verbliebene Weg, die Politik vom hohen Ross zu holen. Ich habe den Eilantrag nicht gestellt, um populär zu werden, sondern um der Demokratie, die meiner Ansicht nach in Bedrängnis gekommen ist, wieder ein wenig auf die Füße zu helfen. Wenn das Verwaltungsgericht in diesem Fall standhaft bleibt, ist das auf jeden Fall ein Gewinn für die Demokratie und das Vertrauen in die Justiz. Sie hat ja durch das Versagen des Bundesverfasssungsgerichts schweren Schaden erlitten.
Nun ist damit zu rechnen, dass der Landrat mit einer abgewandelten Allgemeinverfügung für den nächsten Montag antworten wird. Werden Sie wieder dagegen vorgehen?
Hirte: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin kein Prozesshansel und bevorzuge Engagement für und nicht gegen eine Sache.
Herrsching hatte in der letzten Woche eine furchterregende Inzidenz von über 1000. Die Zahlen sind ab Mittwoch rasant gestiegen in Herrsching. Sehen Sie da keinen Zusammenhang zwischen Demo und Infektionen?
Hirte: Die Omikron-Variante rauscht aktuell durch alle Länder Europas, egal welche Maßnahmen ergriffen werden. Das ist ja gerade die Fehleinschätzung und Selbstüberschätzung der Politiker: Die sogenannten Wellen werden nicht durch Verordnungen, Einschränkungen oder Impfungen gebrochen, sondern laufen von alleine aus. Außerdem ist klar: die Ansteckungen finden fast ausschließlich in Innenräumen statt. Nicht einmal große Demonstrationen mit zigtausend Teilnehmern haben zu merklichen Anstiegen sogenannter Inzidenzen geführt.
Sind Sie der Meinung, dass man die Infektionswelle einfach durchlaufen lassen sollte? Immunisierung durch Ansteckung als Alternative zum Impfen?
Hirte: Meiner Ansicht nach kann man aktuell nicht viel machen. In den meisten Ländern haben die Regierungen die Waffen gestreckt und warten ab, oder verzichten sogar auf bisherige Einschränkungen. Ich habe den Eindruck, dass unsere Spitzenpolitiker mit ihrem konformen Beraterstab immer noch überzeugt sind, durch eine Politik von Zwang und Strafen das Coronavirus besiegen zu können. Als Mediziner kann ich da nur den Kopf schütteln. Demokratische Pandemiepolitik sieht anders aus. Schauen Sie nach Schweden: Empfehlungen statt Verordnungen, Dialog mit den Bürgern, Eingeständnis von Nichtwissen und Fehlern, und keine Erpressung zur Impfung. Das Coronavirus hat dort auch nicht zu mehr Problemen geführt als in anderen Ländern.
Sie vertreten eine medizinische Sondermeinung zu Impfungen und Corona-Maßnahmen. Was macht Sie da so sicher, dass Sie gegen die Mehrheitsmeinungen der Mediziner auf der richtigen Seite stehen?
Hirte: Dreißig Prozent der Bevölkerung haben in den letzten zwei Jahren ihr Vertrauen in Politik und Medien verloren. Ich denke, dass unter meinen Fachkollegen der Anteil sogar höher ist. Das stümperhafte Coronamanagement hat dazu geführt, dass an den Kliniken Intensivbetten abgebaut wurden und Routinebehandelungen abgesagt wurden, bis die Ärzte Däumchen drehten. Neu angeschaffte Beatmungsgeräte wurden oft nicht einmal ausgepackt. Als dann die Krankenhäuser finanziell ins Wanken gerieten, wurden sie mit vielen Millionen Euro unterstützt. Aktuell sind wir wieder soweit – man hat nichts gelernt. Und obwohl COVID-19 nie ein Problem für unser Gesundheitssystem war, wurde mit falschen Zahlen Panik gemacht.
Ich bin kein Impfgegner, sondern habe in meiner Praxis jeden Tag viele Kinder geimpft. Man kann Impfungen aber nicht pauschal für gut heißen, denn jede Impfung hat ihr eigenes Nutzen-Risiko-Profil. Bei der Coronaimpfung sehe ich das Problem, dass die Wirkung deutlich kürzer und schlechter ist, als man gehofft hatte, und dass die bekannt gewordene Nebenwirkungen gravierend sein können. Denken wir nur an die Herzmuskelentzündungen vor allem bei jungen Männern. Erst seit kurzem ist gesichert, dass die Impfung häufig zu Menstruationsstörungen führt, vermutlich durch eine Störung der Blutgerinnung oder Entzündungen in der Gebärmutter. Trotzdem wird Schwangeren die Impfung empfohlen. Auch die Impfung von Kindern und Jugendlichen sehe ich sehr kritisch, da sie nur sehr sehr selten schwer erkranken. Wir wissen einfach noch zu wenig. Einen Nutzen von der Impfung haben in erster Linie alte, übergewichtige und schwer kranke Menschen. Auch die sollte man aber nicht zur Impfung zwingen, sondern einfach über Vor- und Nachteile aufklären, so wie es in vielen anderen Ländern gemacht wird. Ich bin für eine freie, informierte Impfentscheidung und gegen eine Impfpflicht. Das ist keine medizinische Sondermeinung. Die Kassenärzte haben angekündigt, eine eventuelle Impfpflicht in ihren Praxen nicht umzusetzen.
Es gibt Gerüchte, dass Sie auch in München schon aktiv waren bei den Spaziergängen. Ist das korrekt?
Hirte: Nein, ich bin da kein Aktivist, ich spreche nur auf angemeldeten Demonstrationen. Kürzlich war ich allerdings mit einem Kamerateam von Servus TV bei einer nicht angemeldeten Veranstaltung in München.
Wie lange noch werden wir in Herrsching Montagsumzüge erleben?
Hirte: Sie werden aufhören, wenn die Pläne zur Impfpflicht beerdigt sind und Menschen wieder ihre Grundrechte und die Kinder ihre Kinderrechte zurückbekommen haben. Sie bleiben unangemeldet, bis sie mal jemand anmeldet – was ich übrigens persönlich begrüßen würde.