Masernschutzgesetz vom Bundesverfassungsgericht durchgewunken

Am 18. August 2022 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen Masernschutzgesetz richteten. Damit ist klar: Kinder dürfen – bis auf wenige Ausnahmen (Immundefekt, Impfstoffallergie) – nur noch maserngeimpft eine KiTa oder einen Kindergarten betreten.

In einem im Auftrag des Vereins Ärztinnen und Ärzte für Individuelle Impfenscheidung (ÄFI) erstellten Rechtsgutachten hatte Prof. Dr. Stephan Rixen, Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln festgestellt, dass das „Masernschutzgesetz“ gegen mehrere Grundrechte verstoße: das auf körperliche Unversehrtheit, das Elternrecht, das Gleichheitsrecht von Kindern und Eltern, die Berufsfreiheit und das Gleichheitsrecht von Ärztinnen und Ärzten.

Das Bundesverfassungsgericht setzt nun mit seinem Urteil den Kurs fort, Zwangsmaßnahmen der Regierung zu billigen, die den Einzelnen verpflichten, zum Zweck des Schutzes anderer medizinische Maßnahmen oder Einschränkungen der Grundrechte zu dulden:  „Ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht der Gesetzgeber mit den angegriffenen Auf- und Nachweispflichten sowie den bei deren Ausbleiben eintretenden Folgen dem Schutz durch eine Maserninfektion gefährdeter Menschen den Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Kinder und Eltern eingeräumt“.

Diese Strategie ist ein Paradigmenwechsel, wie Jessica Hamed schreibt: „Mit dieser Rechtsprechung kann nahezu alles, was irgendjemanden vor einer Erkrankung oder Tod schützen soll und damit mittelbar auch das Gesundheitssystem entlastet, angeordnet werden. Langfristig ist hierhin ein Trend zur Pflicht zur Gesundhaltung zu erkennen. Grenzen wurden nicht definiert und scheinen auch nicht zu existieren… freie Fahrt für den immer paternalistischer werdenden Staat.“

Auch Frauke Rostalski, Rechtsphiliosophin an der Uni Köln hat größte Bedenken, was die Tendenz der Rechtsprechung durch das BVerfG angeht: „Immer öfter wird nach dem schützenden Staat gerufen, dem die Aufgabe zuteilwird, den Einzelnen vor den für seine Gesundheit gefährlichen Mitbürgern, aber auch vor eigenem risikoerhöhenden Verhalten zu schützen. Die Entscheidung zur Masernimpfpflicht liefert uns hierfür ein Paradebeispiel und zeigt, wie sehr das Bundesverfassungsgericht diesem Zeitgeist folgt und ihn zugleich weiter befeuert. (…) Genügt der bloße Umstand, dass eine Maßnahme Gesundheit schützen und damit Leben retten kann, um sie verfassungsrechtlich zu rechtfertigen? Solange der Lebensschutz nicht absolut gilt, muss die Antwort klar ‚Nein‘ lauten. Und er kann nicht absolut gelten, solange wir vom Ideal einer freiheitlichen Gesellschaft nicht abrücken wollen. Was wir gleichwohl erleben, ist eine grundlegende Neubewertung, die in Bezug auf Gesundheitsrisiken individueller Freiheit und Selbstverantwortung zunehmend das Wasser abgräbt. Der Zeitgeist ist auf Risikoaversion gepolt…“ (Rostalski 29.8.2022)

Das Urteil erging ungeachtet dessen, dass schon seit Jahren mehr als 95 Prozent der Vorschulkinder gegen Masern geimpft sind, dass es in Deutschland keinen zugelassenen Einzelimpfstoff gegen Masern gibt, und dass es in den letzten Jahren nur noch sehr wenige Masernerkrankungen gab, die meisten davon bei Erwachsenen und aus dem Ausland importiert.

Die Stellungnahme des BVerfG zur Impfpflicht bei Schülern steht noch aus, dürfte aber in der Tendenz ähnlich ausfallen.

Referenzen:
Bundesverfassungsgericht 18.8.2022Ärztinnen und Ärzte für Individuelle Impfentscheidung, 18.8.2022
Jessica Hamed 18.8.2022
Volker Boehme-Neßler 19.8.2022, Bezahlschranke

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